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Neue Regeln für den Verfall von virtuellen Aktienoptionen / Exit-Bonus-Ansprüchen

July 24, 2025
Tobias Leder, Florian Dehmel, Martina Hoelzer
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung verschärft. Nach einer Entscheidung vom 19.3.2025 (10 AZR 67/24), deren Gründe erst kürzlich veröffentlicht wurden, können Arbeitnehmern Ansprüche auf einen Exit-Bonus unter Umständen selbst dann zustehen, wenn der Exit erst Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eintritt.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin gewährte dem klagenden Arbeitnehmer virtuelle Optionen nach ihren Employee Stock Option Provisions (ESOP). Die virtuellen Optionen sollten nur im Fall eines Exits ausübbar sein. Die Ausübbarkeit der virtuellen Optionen setzte zudem den Ablauf einer Vesting-Periode von insgesamt vier Jahren voraus. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses sollten gevestete virtuelle Optionen unverzüglich verfallen, wenn die Beendigung auf einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder einer verhaltensbedingten bzw. fristlosen Kündigung des Arbeitgebers beruht. Im Übrigen sollten die virtuellen Optionen erst sukzessiv innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Ende des Arbeitsverhältnisses verfallen. Nach seiner Eigenkündigung machte der Kläger den Fortbestand seiner zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bereits gevesteten virtuellen Optionen geltend. Ein Exit war seinerzeit nicht absehbar. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger Recht.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Kläger hat seine bereits gevesteten virtuellen Optionen ungeachtet seiner Eigenkündigung nicht verloren; somit bleibt er berechtigt, auch nach seinem Ausscheiden an künftigen Exit-Erlösen zu partizipieren. Die gegenteiligen Bestimmungen in den ESOP seien unwirksam. Das BAG betont den Entgeltcharakter virtueller Optionen. Sie sind verdientes Arbeitsentgelt, das lediglich noch nicht ausgezahlt wurde. Der Umstand, dass bei Ausscheiden des Arbeitnehmers unabsehbar ist, ob bzw. wann es zu einem (gewinnbringenden) Exit kommt, steht dem nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen. Das BAG geht noch einen Schritt weiter: Selbst die Bestimmung, die einen sukzessiven Verfall über einen Zeitraum von zwei Jahren nach Ausscheiden des Arbeitnehmers vorsah, wurde von den Richtern für unwirksam gehalten. Sie reflektiere durch den graduellen Verfall zwar im Grundsatz zutreffend, dass der Einfluss des Arbeitnehmers auf den Unternehmenswert mit der Zeit abnehme. Die Regelung lasse jedoch zu – ausgehend von der hier geregelten Vesting-Periode von vier Jahren – dass die dem Arbeitnehmer zugeteilten virtuellen Optionen doppelt so schnell verfielen, wie sie gevestet seien. Auch dies benachteilige den vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer unangemessen. Somit unterliegen die virtuellen Optionen des Klägers überhaupt keiner Verfallfrist.

Praxishinweise

Die Entscheidung des BAG betrifft den in der Praxis eher seltenen Fall, dass der Exit-Bonus von der Arbeitgebergesellschaft (und nicht wie üblich von einer (Mit-)Gesellschafterin) versprochen wird. Bei „echten“ virtuellen Optionen, die nicht allein an einen Exit anknüpfen, ist eine solche Zwei-Parteien-Konstellation dagegen häufiger anzutreffen. Für diese Zwei-Parteien-Konstellation dürfte folgendes geklärt sein:

  • Virtuelle Optionen stellen Arbeitsentgelt dar, mit der Folge, dass sie dem Arbeitnehmer nicht ohne weiteres wieder entzogen werden können. Die Vergütungseigenschaft dürfte ausweislich der Entscheidung auch nicht allein deshalb entfallen, weil der Arbeitgeber das Vesting auch in Zeiten ohne Vergütungsanspruch (z.B. bei Langzeiterkrankung oder Elternzeit) weiterlaufen lässt.
  • Bad-Leaver-Klauseln, die den Wegfall gevesteter virtueller Optionen bei Ausspruch einer Eigenkündigung vorsehen, sind unwirksam, mit der Folge, dass solche virtuellen Optionen überhaupt keiner Verfallfrist unterliegen. Das Gericht scheint den sofortigen Verfall bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei sonstigen Beendigungstatbeständen für unzulässig zu erachten, d.h. losgelöst davon, durch welche Partei und aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis endet.
  • Ein „Abschmelzen“ bereits gevesteter virtueller Optionen in der Zeit nach Ausscheiden des Arbeitsnehmers ist dagegen prinzipiell zulässig. Möchte der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollte er allerdings darauf achten, dass dieses „Devesting“ – anders als in dem entschiedenen Fall – nicht schneller erfolgt als zuvor das Vesting selbst. 
  • Unwirksame Verfallregelungen haben deshalb weitreichende Folgen, weil die bereits gevesteten Anteile auch nach einem Ausscheiden zeitlich unbeschränkt bestehen bleiben und damit auch viele Jahre später bei einem Exit ausgeübt werden können.

Nicht zu entscheiden hatte das BAG über die in der Praxis häufige Konstellation, dass die virtuellen Optionen nicht vom Arbeitgeber, sondern von einer – oft ausländischen – Konzerngesellschaft ausgegeben werden (Drei-Parteien-Konstellation). Sind Optionsgewährung und Arbeitsverhältnis in derartigen Konstellationen voneinander getrennt und ist der Arbeitgeber nicht an der Optionsgewährung beteiligt, sprechen unseres Erachtens auch weiterhin gute Gründe dafür, dass derartige virtuelle Optionen nicht Teil des Arbeitsverhältnisses und damit kein Arbeitsentgelt sind und daher nicht den strengen Vorgaben des BAG in Bezug auf Vergütung unterfallen.

Endnotes

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